Pfr. József Lukács, "Du führst mich hinaus ins Weite" - ein Glaubenszeugnis aus Siebenbürgen

  "Ihr täuscht euch sehr, wenn ihr glaubt, ich rede hier nur von den Heiligen, die im Kalender stehen! Es gibt Millionen Heilige in der Welt, die Gott allein kennt und die keineswegs verdienen, auf die Altäre erhoben zu werden, Heilige von ganz niederer Herkunft, die nur einen Tropfen Heiligkeit in ihren Adern haben... Sie unterscheiden sich gewöhnlich nicht von der Masse der braven Leute und machen übrigens selbst keinen Unterschied zwischen sich und ihnen, sie sind in ihren eigenen Augen wie die anderen."

Mit diesen Worten von Georges Bernanos, eröffnet der protestantische Theologe, Walter Nigg sein Werk: "Heilige ohne Heiligenschein". Nicht die großen, die allgemein anerkannten Persönlichkeiten wollte er den Lesern näherbringen, sondern die kleinen, unbekannten Heiligen, von denen nur die wenigen Zeitgenossen ahnten, daß sie aus der Sicht Gottes Bleibendes gewirkt haben. Es gibt in unserer Zeit anonyme Heiligen, die in aller Stille für Gott und die Menschen leben. Ihrer sind viel mehr, als wir es ahnen, und wir werden sie nur dann am besten erkennen, wenn wir bereit sind uns auf einen längeren Umgang mit ihnen einzulassen.  

Ich lade Sie ein, liebe Hörerinnen und Hörer, sich mit mir auf den Weg zu machen, um einen von diesen unscheinbaren Heiligen unseres Jahrhunderts aus Siebenbürgen, kennenzulernen. Es ist der aus Siebenbürgen stammende Bischof Áron Márton.  

Er wurde am 28. August 1896 im Széklerland, in einer ungarischen Bauernfamilie geboren. Als Schüler besuchte er das Gymnasium der Franziskaner in Csíksomlyó, das bekannteste Heiligtum Rumäniens. Die Atmosphäre des Studienortes war zugleich von Aufgeschlossenheit und von aufopfernder Arbeit geprägt. Schon recht früh erlebte Áron Márton hautnah die verschiedenen Nationen und Konfessionen des Landes. Das letzte Schuljahr absolvierte er in bischöflichen Konvikt von Alba Iulia (Karlsburg), doch den Ruf Gottes spürte er noch nicht so klar. Nach dem Abitur, hat er sich beim Ausbruch des Ersten Weltkrieges in der ungarischen Armee als Soldat beworben. Nach dreimaliger Verwundung kehrt Áron im Rang eines Leutnants in sein Heimatdorf zurück. Dann arbeitet er eine Zeit als Tagelöhner in Kronstadt, aber er fühlte sich irgendwie nicht am richtigen Ort. Er sieht die Verwüstung des Krieges in den Herzen der Menschen und will sich für Gott und sein Volk aufopfern. 

1920 meldet er sich im Priesterseminar von Alba Iulia und bittet um seine Aufnahme. Die Studienjahre haben es ihm ermöglicht seinen geistigen Horizont zu erweitern und ein gut fundiertes Wissen über die europäische Kultur zu erwerben. Die Vorboten schwerer Zeiten klopften an die Tür der Geschichte. Auf der Ebene der Staatspolitik machte sich immer mehr eine ungarnfeindliche Tendenz bemerkbar. Nach der Unterzeichnung des Friedensvertrages von Trianon, äußerte sich der damalige rumänische Außenminister: "Jetzt soll die Welt sehen, wie in Rumänien die Minderheiten verschwinden." Mitten in diesen Spannungen wurde Áron Márton 1924 zum Priester geweiht. Dann folgten die seelsorglichen Stationen: Er war Kaplan und Pfarrer, Studentenseelsorger und Redakteur einer Zeitschrift und lernt allmählich das Leben aller Gesellschaftsschichten kennen. 

Damals begann die Welt, sich mit den sozialen Problemen zu beschäftigen. Jedes Jahr wurden Kurse für junge Leute und Erwachsene organisiert, in denen Vorträge über aktuelle soziale Fragen gehalten wurden. Áron Márton wußte, daß besonders die Jugend durch die Beurteilung gesellschaftlicher Werte seitens der Erwachsenen, verunsichert wurde. Darum suchte er das Gespräch, um sich den sozialen Herausforderungen zu stellen. 1933 sagte er in einem seiner Vorträge über die christliche Sicht der Welt: "Der Christ kann sich damit nicht abfinden, daß er von der Welt nur Kenntnis nimmt und sie kennenlernt. Er akzeptiert die Welt nicht endgültig so, wie sie ist, sondern versucht sie aus seiner christlichen Überzeugung zu gestalten. Das Christentum ist die ewige Unzufriedenheit mit dem, was es gibt und wie es ist. Die Bemühung, die Welt zu verbessern, ist die heroische Anstrengung, von der Erde aus den Himmel zu ergreifen und so die materielle Erde in der Kraft der angespannten Seele näher zum Himmel zu ziehen." 

Die Erfahrungen, die der junge Márton Áron im Krieg gemacht hat, und später im Seminar, haben ihn in der Überzeugung bestärkt, daß den Minderheiten Rumäniens ein Recht auf Leben und Anerkennung in jenem geographischen Raum zuerkannt wird, wo ihre Vorfahren seit Jahrhunderten gelebt haben. Er hat schon früh erkannt, daß das Zusammenleben nur dann möglich ist, wenn die Menschenrechte gegenseitig respektiert werden. In der Zeitschrift "Siebenbürgische Schule" kritisierte er 1935 die Engstirnigkeit seines Volkes: "Der konfessionelle Gesichtspunkt bedeutet für den Siebenbürgischen Ungar eine besondere Gefahr. Bei uns betrachten viele Menschen das Leben unter konfessionellen oder nationellen Gesichtspunkten. Unter diesen Umständen kann sich nur der von diesem Hindernis befreien, in dem eine bedingungslose Liebe zur Wahrheit und ein zu seinen Idealen stets annäherndes gereinigtes Ungarntum wohnt."  

Papst Pius XI. ernannte Márton Áron Weihnachten 1938 zum Bischof von Siebenbürgen. Die Nachricht von seiner Ernennung erfüllte die Menschen dieser Region mit großer Freude. Die Bischofsweihe fand am 12. Februar 1939 in Klausenburg statt. Am Ende des Gottesdienstes begrüßten die Repräsentanten der Regierung und der Schwesterkirchen den neuen Bischof. In seiner Antwort auf die Begrüßung sagte er: "Ich bekenne und verkünde, daß es solche Wahrheiten gibt, aufgrund derer sich alle gerechte Menschen treffen sollten. So wie in Siebenbürgen die Berge mit Tälern, die Felder mit den Wäldern, die schneebedeckten Gipfel mit der Ebene abwechseln, genauso wechseln sich die Völker Siebenbürgens ab, wo man in drei Sprachen und 6-7 Riten Gott anbetet. Aber das Evangelium Christi hat auch solch eine Kraft, die hilft, daß die verschiedenen Gegensätze in Einklang gebracht werden und die brüderliche Zusammenarbeit geebnet wird. Am Tag meiner Bischofsweihe verspreche ich, daß ich mit diesen geschichtlichen Begebenheiten stets rechnen und den Weg des guten Miteinanders ebnen werde."  

Das bischöfliche Wappen ist bezeichnend für ihn: in der Mitte steht eine Tanne auf einem Gipfel. Der Baum trotzt jedem Wetter und Gewitter und repräsentiert den Baum des Lebens. Die grüne Farbe des Baumes weist auf die unerschütterliche Hoffnung hin. Die Sonne und der Mond sind aus dem alten Wappender Székler genommen. Und zwischen den beiden befindet sich das Christusmonogram. Der Stern in der oberen rechten Ecke weist auf den Stern von Betlehem hin und will damit den Wunsch des Bischofs zum Ausdruck bringen, daß er seine ganze bischöfliche Tätigkeit dem Ruhme Gottes und dem Frieden unter den Menschen widmen will.  

Gleich zu Beginn seiner Tätigkeit, änderten sich die Machtverhältnisse zugunsten der europäischen Zentralmächte. Die Frage der Zugehörigkeit Siebenbürgens wurde heftig diskutiert. Am 30. August 1940 wurde der nördliche Teil des Gebietes, gemäß der Wiener Entscheidung wieder an Ungarn abgetreten. Die Grenzänderung führte zu einer großen Völkerwanderung. Unangenehme Zwischenfälle, gegenseitige Unterdrückung waren die Folge. Sowohl die Politik Ungarns als auch die Rumäniens wurden stark vom Nationalismus geprägt. Bischof Márton verlegte seinen Bischofssitz von Karlsburg nicht ins ungarische Gebiet, wie es viele von ihm erwarteten. So hätte er den tausendjährigen Bischofssitz endgültig aufgegeben. Er bleibt in Karlsburg und besucht von Zeit zu Zeit, als rumänischer Staatsbürger das provisorisch aufgerichtete Zentrum des bischöflichen Vikariats von Klausenburg, das jetzt zu Ungarn gehörte. 1944 protestiert er bei einer Priesterweihe in dieser zu Ungarn gehörenden Stadt gegen die Diskriminierung und Verfolgung der Juden und macht den Neugeweihten deutlich, daß sie sich weder von Anerkennung noch von Ablehnung der Menschen beeinflussen lassen dürfen. Sie müßten trotz aller Schwierigkeiten und Verfolgungen ihrer Arbeit in der ihnen von Gott geschenkten Kraft nachgehen und die Menschen trösten, weil "im Dienst der Verteidigung der Wahrheit und in der Ausübung der christlichen Nächstenliebe das Leiden sogar im Gefängnis keine Schande ist, sondern Ehre." Nach der Priesterweihe richtet er mutig einen offenen Brief an die ungarischen Behörden mit folgenden Worten: "Meine Verpflichtungen rufen mich nach Rumänien zurück, aber ich fühle mich als Christ und Ungar verpflichtet, vor meiner Rückkehr die zuständigen Behörden im Namen der Liebe zu bitten, diese Unmenschlichkeiten abzuschaffen. Sollten Sie aber dazu nicht in der Lage sein, hören Sie bitte wenigstens auf, solche Aktionen zu fördern, die mehrere Tausend Menschen vernichten." Nicht nur in Worten ist er für die Notleidenden eingetreten, sondern er hat die Arbeitslager besucht, mit den Häftlingen Eucharistie gefeiert, Lebensmittel und Geld unter den Arbeitern ausgeteilt, ohne dabei Rücksicht auf ihre Nationalität oder Weltanschauung, zu nehmen.  

Nach 1944 zeigte sich die neue rumänische Regierung nach außen hin demokratisch. Im Grunde war sie weiterhin nationalistisch gesinnt. Das zeigte sich im Zwingen zur Abdankung des damaligen rumänischen Königs Michael und in den gegen die Minderheiten gerichteten Maßnahmen und Gesetzen. 

Die kommunistische Regierung verpflichtete 1948 die katholischen Bischöfe des Landes, ein neues Kirchenstatut im Sinne des neuen drastischen Kultusgesetzes zu verfassen und es zur Genehmigung vorzulegen. Das Statut wurde im Auftrag der Bischofskonferenz von Áron Márton erarbeitet. Der Entwurf wurde nicht angenommen, weil er den Wunsch einer von Rom unabhängigen Nationalkirche zurückwies und die Rechte der unierten Gläubigen verteidigte. Bischof Áron wurde für die Behörden immer mehr eine unangenehme Person, und bereitete der rumänische Geheimdienst alles vor, ihn während seiner Wahlfahrt nach Csíksomlyó, in Haft zu nehmen. 1949 rief man ihn nach Bukarest mit der Begründung, man sei in den Verhandlungen über die zukünftigen Richtlinien der kirchlichen Arbeit auf ihn angewiesen. Auf dem Weg nach Bukarest mit einem unbekannten Taxifahrer, der einen Motorschaden vorgetäuscht hatte, wurde er verhaftet. Damit begannen die Gefängnisjahre von Áron Márton. Er wurde zu lebenslängliche Zwangsarbeit verurteilt und sein ganzes Vermögen wurde vom Staat beschlagnahmt.  

Über seine Gefängnisjahre weiß man nicht viel. Er selber hat nur wenig über sie gesprochen. Am markantesten äußerte er sich darüber in einem Gespräch mit dem jetzigen unierten Metropolit aus Blasendorf, Lucian Muresan: "In seiner Güte hat mich Gott ins Gefängnis, in die Schule seiner Liebe geführt, damit er mir dort beibringt, wie ich alle Menschen, unabhängig von ihren religiösen oder nationalen Zugehörigkeit, lieben kann."  

Erst Anfang 1955 wurde er durch internationalen Druck vom Ausland her aus dem Gefängnis entlassen. Er akzeptierte seine Freilassung nur, wenn sie ohne Bedingungen gewährt wird.  

Kurz nach seiner Freilassung nahm er die Firmreisen wieder auf und ermutigte die Menschen auch weiterhin zum Glauben und zur Treue gegenüber der Kirche. In einer seiner Predigten faßte er seine Verantwortung und die Verantwortung aller Christen mit folgenden Worten zusammen: "Die auf uns zukommende Rolle ist groß und verantwortungsvoll, aber wir werden in der Zukunft nur dann geschätzt werden, wenn wir durch die Erfüllung unserer Aufgaben und in unseren menschlichen Verhalten Werte aufzeigen. Wir schmieden unser Schicksal selbst. Vom Leben dürfen wir nur so viel Gunst erwarten, wieviel wir aus ihm mit Ausdauer und unzerstörbarem Zusammenhalt sowie auch mit Arbeit herausholen. Wir müssen von den bequemen Tagen Abschied nehmen. Wir sind in einer Zeit des Kampfes der Völker um verschiedene Ideologien geboren, aber die großen Zeiten fordern große Menschen und es lohnt sich, zusammenzuhalten wie noch nie und alles für die kommende Generation zu tun." Aber auch jetzt durfte er sich seiner Freiheit nicht lange erfreuen. Seine Beliebtheit beim Volk und seine Predigten brachten die Behörden so auf, daß er im Sommer 1957 Hausarrest erhielt und sich nur noch in seiner Kathedrale und im bischöflichen Palais frei bewegen durfte. Dieser Zustand sollte über zehn Jahre bis zum Spätherbst 1967 dauern.  

Während des Hausarrests wurde er oft vom Staat aufgefordert, die Treue zu Rom zu brechen. Würde er diesem Wunsch entsprechen, wäre er sofort frei. Áron Márton lehnte dieses Angebot stets ab. Der "Mönch von Karlsburg", wie ihn viele nannten, arbeitete unermüdlich weiter, empfing Gäste, las theologische Werke von Guardini und verbesserte seine Deutschkenntnisse. Zur Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils wurde ihm zunächst trügerisch angeboten, nach Rom zum Konzil fahren zu dürfen. Er kam dieser Aufforderung nicht nach, denn er befürchtete, einmal ausgereist, nie wieder zurückkehren zu dürfen. 

Im Jahre 1967 feierte die orthodoxe Kirche Rumäniens das 450jährige Gründungsjubiläum des Klosters von Curtea de Arges. Aus Anlaß der Feierlichkeiten lud Patriarch Justinian, den Wiener Erzbischof Kardinal Franz König ein. Er nahm die Einladung nur unter der Bedingung an, wenn er sich dort mit dem inzwischen einzigen katholischen Bischof des Landes, den von Alba Iulia, treffen darf. Der Patriarch lud kurzfristig auch Áron Márton nach Bukarest ein. Er zögert mit seiner Reise, denn sein Hausarrest war noch nicht aufgehoben. Schließlich willigte er doch ein und nahm an den Feierlichkeiten teil. Am 19. November besuchte Kardinal König den Bischof im Palast des Erzbistums Bukarest und führte mit ihm ein langes Gespräch. Ein paar Tage später erfuhr Márton, daß sein Hausarrest aufgehoben sei.  

Ab Frühjahr 1968 begann er wieder die Firmreisen. Er wurde überall mit großer Freude empfangen. Seine Treue zur Kirche, zum Glauben und zu sich selbst schätzten die Menschen sehr. Seine Gottesdienste wurden nicht nur von Katholiken besucht, sondern auch von denen, die sich nicht zur katholischen Kirche bekannten oder deren Lebensauffassung ablehnten. Ein rumänischer Beamte antwortete auf die Frage eines Ungarn, warum er den Bischof so hoch schätze: "weil er auch Euch dasselbe sagt, was er von uns erwartet."  

Das Alter und die Jahre im Gefängnis machten sich beim Bischof bemerkbar. Seine Kräfte verließen ihn zusehends, aber die Worte seines Wahlspruchs "Non recuso laborem - Ich verweigere die Arbeit nicht" verpflichteten ihn. Er studiert gründlich die neu herausgekommenen Texte des Zweiten Vatikanischen Konzils, besprach die neue Inhalte mit den Professoren und den Priesteramtskandidaten, hielt gute Kontakte zu den Schwesternkirchen, analysierte die gesellschaftliche Situation von damals. Wenn wir heute seine Schriften und Predigten lesen, bewahrheitet sich die Tatsache, daß er viele Ideen des Konzils vorausgeahnt und instinktiv so gehandelt hatte. Schon 1930 hatte er in geistlichen Exerzitien, die er für Ordensschwestern leitete, die Überzeugung geäußert, daß Gott eine Gemeinschaft der Liebe zwischenVater, Sohn und Heiliger Geist ist. In seinem ersten Hirtenbrief von 1939 hatte er seine Offenheit für das Neue und die Bereitschaft bewiesen, die Welt im Lichte des Evangeliums zu betrachten und auf die gegenwärtige Herausforderungen der Gesellschaft eine Antwort zu suchen. Er schrieb: "Der Geist der neuen Zeiten, die große Veränderungen und die unruhige Richtungssuche stellen uns vor neue Aufgaben. Sie zwingen uns, unsere Kräfte neu einzuteilen und die Arbeit in den neuen seelsorglichen Lebensbereichen aufzunehmen... Die Kirche steht auf dem Fundament der ewigen Wahrheiten, aber sie schließt ihre Augen nicht vor der Wirklichkeit, den Menschen in den Wechselfällen der Geschichte zu betrachten und sucht den richtigen Ton und die besten Mittel der Gegenwart, ihn - den Menschen - in der Unbeständigkeit der Welt für das ewige Leben zu retten."  

Bischof Áron Márton hat nie politisiert. Dennoch erhob er stets seine Stimme, wo er feststellte, daß die Menschen ideologisch manipuliert oder ihre Rechte verletzt werden. So sagte er einmal in diesem Zusammenhang: "Die Kirche und alle gesellschaftliche Institutionen können nur dann ihre Aufgaben richtig erfüllen, wenn dafür die Voraussetzungen vorhanden sind. Eine solche Voraussetzung ist auch die Demokratie. Nur wenn die Menschen ihre Rechte ausüben dürfen, kann eine Harmonie in der gesellschaftlichen Entwicklung vorhanden sein. Bezüglich der Demokratie ist noch zu sagen, daß sie nur unter den Menschen gut funktionieren kann, die geistig gebildet sind und die sich beherrschen können."  

Daß es unter den katholischen Priestern Siebenbürgens bis heute noch keine größere Spaltung gibt - wie das Problem des Friedenspriestern in Ungarn ist -, ist zweifellos ein Verdienst des Bischofs Márton. Es war ihm außer den persönlichen Begegnungen, den Predigten und den Hirtenbriefen, kaum eine andere Möglichkeit geblieben, in der öffentlichen Medien präsent zu sein. Von daher ist es zu verstehen, wenn er einen ganz großen Wert auf die Ausbildung seiner Priester legte und den unmittelbaren Kontakt zu den Priesteramtskandidaten pflegte. Wie viel pädagogischer Sinn und Feingefühl er besaß, verraten seine Worte, die er zu den Professoren bei der Eröffnung des neuen Studienjahres 1958 sagte: "Sie sollen in der Erziehung den Grund vor Ihren Augen halten, auf dem die menschliche Natur ruht. Erziehen Sie Priester mit Weitblick, mit Aufrichtigkeit, die ehrlich denken und zu arbeiten bereit sind. Die Erziehung in einem Institut uniformiert immer in einem gewissen Sinne. Achten Sie bitte sorgsam darauf, daß das alles nicht auf Kosten der Entwicklung der Persönlichkeit geschieht."  

1971 nimmt er bei der Beerdigung des unitarischen Bischofs von Klausenburg teil, wo er das beispielhafte Leben des Verstorbenen würdigte. Hier bekundete er seine Hoffnung auf das ewige Leben: "Unser Leben - sagte er - ist eine zwischen der Geburt und dem Tod ausgespannte Brücke, und wir alle müssen über dieser Brücke zum anderen Ufer hinüber, aus der Zeit in die Ewigkeit, aus dem vergänglichen Dasein ins Unvergängliche, von der Erde in die Nähe Gottes durch Jesus Christus und durch die gegenseitige Hilfe der Menschen." 

Öfters besuchte er die Leiter der einzelnen Schwesterkirchen bei verschiedenen Anlässen. Der jetzige Banater Metropolit der Rumänisch-orthodoxen Kirche, Nicolae Corneanu, bestätigte mir die Worte von Papst Paul VI. über Bischof Áron: "Man kann mit ihm nicht reden, ohne bis zu Tränen gerührt zu sein." 

Seinen wiederholten Bitten, ihn seines Amtes zu entpflichten, kam Papst Johannes Paul II. 1980 nach. In seinem letzten Hirtenbrief verabschiedete er sich von seinen Priestern und Gläubigen mit folgenden Worten: „Die Brüderlichkeit müssen wir zuerst unter uns selbst, innerhalb der Gemeinschaft der Kirche verwirklichen. 'Das Gebot unseres Glaubens ist, daß wir auch außerhalb des Gotteshauses, im Leben Schwestern und Brüder sind...’ -, sagte ich in meinem ersten Hirtenbrief, und auch jetzt bitte ich Euch darum. Möge jede Kirchengemeinde eine wahre brüderliche Gemeinschaft sein. Denn nur dann wird die Kirche auch die Außenstehenden anziehen können, und nur so wird die Einheit aller Christen im Streben der christlichen Kirchen und Gemeinschaften Wirklichkeit. Das geschieht immer dann, wenn man auch von ihnen sagen kann, was von den ersten Christen gesagt wurde: 'Seht, wie sie einander lieben!’." 

Am 29. September 1980, dem Fest des Heiligen Erzengels Michael, des Patrons der Kathedrale und des Bistums, starb Áron Márton im Alter von 84 Jahren. Die Vertreter der rumänischen Behörden haben dafür "gesorgt", daß seine Beerdigung nicht ohne Hindernisse stattfindet. So war sein letzter Weg in die Krypta der Kathedrale ein stiller Protest, gleichzeitig ein Anstoß für die Gläubigen im Geiste des Evangeliums füreinander einzustehen. Áron Márton wurde von seinem Nachfolger Antal Jakab verabschiedet. Die letzten Worte seiner Rede klangen folgendermaßen: "Wenn wir um seinen Tod weinen, läßt uns der Glaube und die Hoffnung trösten, daß wir ihn nicht endgültig verloren haben... wir sind durch die Gemeinschaft der Heiligen miteinander verbunden. Wir verlieren in ihm einen irdischen Leiter und Vater, damit wir einen Fürsprecher im Himmel gewinnen, der bei Gott für unsere Arbeit und unseren Kampf mit seinem Gebet Fürsprache leistet."  

Das Lebensbeispiel des Bischofs Áron Márton bleibt für die Christen Siebenbürgens eine bleibende Erinnerung; so wie es der Hebräerbrief ausdrückt: "Denkt an eure Vorsteher, die euch das Wort Gottes verkündet haben; schaut auf das Ende ihres Lebens, und ahmt ihren Glauben nach!" (13,7) 

(Gesendet in: Deutschlandfunk: "Am Sonntagmorgen", 08.02.1998.)


 

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